Pro-Decide
Schulungsprogramm PRODECIDE für ehrenamtliche und Berufsbetreuer/innen zu Entscheidungen in der Gesundheitssorge (Proxy-decision-making)
In Deutschland werden ca. 1,3 Millionen Menschen rechtlich betreut, 56% durch ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen, meist durch Angehörige, der Rest durch Berufsbetreuer und Betreuerinnen. Grund für die Bestellung einer Berufsbetreuung war im Jahr 2005 in 20% aller Neueinrichtungen eine Demenz. Aufgabe von rechtlichen Betreuern und Betreuerinnen ist es, Menschen mit Demenz in Entscheidungsprozessen in der Gesundheitssorge zu vertreten, wenn diese ihren Anspruch auf informierte Entscheidungen nicht mehr oder nur eingeschränkt wahrnehmen können.
Ziel: Ehrenamtlichen und Berufsbetreuern und Betreuerinnen soll eine informierte und - soweit es im Rahmen der Demenz-Erkrankung möglich ist - geteilte Entscheidungsfindung auf Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse ermöglicht werden, um so die Versorgungssituation von betreuten Menschen mit Demenz zu verbessern.
Beschreibung: Häufige Entscheidungssituationen für Menschen mit Demenz in stationären Altenpflegeeinrichtungen sind die Verordnung von Antipsychotika, die Frage nach der Notwendigkeit von freiheitseinschränkenden Maßnahmen (FEM) oder die Anlage einer perkutanen Ernährungssonde (PEG). Im Rahmen dieses Projektes wird ein Schulungsprogramm für ehrenamtliche und Berufsbetreuer und Betreuerinnen zu diesen exemplarischen Gesundheitsfragen entwickelt und evaluiert. Dies erfolgt in zwei Teilprojekten:
In Teilprojekt 1 wurde zunächst die Evidenz zu Entscheidungskonzepten und zu den drei exemplarischen Entscheidungssituationen aufgearbeitet. Inhalte, Abläufe und Wünsche bezogen auf die Entscheidungsprozesse wurden in Einzelinterviews mit rechtlichen Betreuern und Betreuerinnen sowie mit älteren Menschen mit Betreuungsbedarf exploriert.
Aus den gewonnenen Ergebnissen wurde das Schulungsprogramm PRODECIDE entwickelt und pilotiert. Es wurden (Teil-) Schulungen durchgeführt und das Programm anhand von Beobachtungen und Rückmeldungen optimiert. Die Umsetzung der Schulungsinhalte in die Berufspraxis wurde durch standardisierte Telefoninterviews mit Schulungsteilnehmern und Teilnehmerinnen exploriert.
Das Schulungsprogramm PRODECIDE umfasst insgesamt 10 Zeitstunden, verteilt auf 2 - 4 Tage, und besteht aus 4 Modulen:
A Entscheidungsprozesse und Methodenwissen
B Perkutane Ernährungssonde (PEG)
C Freiheitseinschränkende Maßnahmen (FEM)
D Antipsychotika.
In Teilprojekt 2 (laufend) wird die Wirksamkeit des Schulungsprogramms überprüft sowie eine Implementierungsstrategie entwickelt und pilotiert.
Es wird eine randomisiert-kontrollierte Studie mit begleitender Prozessevaluation durchgeführt (Follow-up 6 Monate). Die Intervention ist das Schulungsprogramm PRODECIDE, an dem ehrenamtliche und Berufsbetreuer und Betreuerinnen teilnehmen können. Die Erhebung der Endpunkte erfolgt über die Schulungsteilnehmer und Teilnehmerinnen. Primärer Endpunkt ist Verständnis sowie daraus resultierende realistische Erwartungen bezüglich PEG, FEM und Antipsychotika. Sekundäre Endpunkte sind Nachhaltigkeit von Verständnis sowie Anzahl von PEG, FEM und Antipsychotika bei den von den Schulungsteilnehmern und Teilnehmerinnen betreuten Menschen. Erwartet wird, dass die Schulung zu einem besseren Verständnis und realistischeren Erwartungen führt und dass unter diesen Voraussetzungen die Maßnahmen seltener angewendet werden.
Für die zukünftige Implementierung werden E-Learning-Module entwickelt Bestehende Schulungsinhalte werden in ein Learning Management System integriert. Zur Pilotierung wird ein Usability-test zur Überprüfung der Nutzbarkeit durchgeführt.
Projektleitung: Dr. med. Tanja Richter
Projektzeitraum: 01.01.2013 bis 15.02.2020
Förderung:
· 16.02.2017 – 15.02.2020 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
· 01.04.2013 - 30.09.2014 Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.
Website: https://www.prodecide.de/
Publikationen:
Lühnen J, Richter L (2016): Informierte Entscheidungen für und mit Menschen mit Demenz - Proxy-decision-making (PRODECIDE) Entwicklung und Pilotierung eines Schulungsprogramms für rechtliche Betreuer/innen. BT-PRAX 04/2016: 127-132
Ansprechpartnerinnen:
Tanja.Richter@uni-hamburg.de(tanja.richter"AT"uni-hamburg.de)
Tel: +49 40 42838 3729
Julia.Luehnen@uni-hamburg.de(julia.luehnen"AT"uni-hamburg.de)
Tel: +49 40 42838 7224